• Schamrock Dichterinnen

Dorothea Grünzweig

geboren 1952 in Korntal, lebt in Südfinnland.

Nach dem Studium der Germanistik und Anglistik und wissenschaftlicher Arbeit an einer schottischen Universität arbeitete sie als Lehrerin in Deutschland und Helsinki, wohin sie 1989 zog. Seit 1998 ist sie freie Schriftstellerin und Übersetzerin von Lyrik.

Im Wallstein Verlag erscheinen ab 1995 ihre 5 Gedichtbände, z.B. "Vom Eisgebreit", zuletzt: "Sonnenorgeln", Ausgewählte Gedichte, Essay und CD (mit Antti Leinonen, Akkordeon) 2011. Essay: "Die Holde der Sprache", Ulrich Keicher Verlag, 2004.

Übersetzungsbände: "Gedichte aus Finnland" (mit Gisbert Jänicke), Urs Engeler 2001, und Gerard Manley Hopkins "Geliebtes Kind der Sprache", Gedichte, Edition Rugerup 2010.

Auszeichnungen, u.a. Christian-Wagner-Lyrikpreis (2004) und Anke-Bennholdt- Thomsen-Preis für Lyrikerinnen (2010).

1.

 

Der Herbst stach in das Stoppelfeld
      hier ist die Messerwunde
er zieht den Feldern das Fell
      ab sie werden uns finster vor
Augen liegen und uns in die
      Schneehoffnung treiben

Sturzackerzeit ist Zurüstungszeit
       und Vjell
will mich die Schneesprache
       lehren er spricht mit ruhigen
mattschimmernden Worten
       die er zuvor
übers Schweigen hält
       Worten denen ich nachhängen
kann ohne zu stürzen

2.

 

gegen morgen kalbte der schlaf
ein traum erschien mit einem see

sicheres frühlingszeichen
dehnte sich aus nahm das dorf

die ganze gemarkung in seine mitte
inselte sie und beschien sie mit blau

dafür wollt ich den namen finden
damit der traum sich nicht verflüchtige

anrainer maiblau
         akkordeonbläue
               großes gongendes gnadenblau

umschloss die grünüberschütte insel
nach schwerem heimsuchendem winter

umschloss die laube die aue die aub

3.

 

die wildpartitur
noten im schnee ein werk bis zum

eismeer meandernd zu den sieben sibirien
unsre ohren schmächtige öhre

lassen nur teile erhören und doch
wenn wir in hörwut den wald durchkämmen

die seengespinste die matten der moore
auf harschstege treffen grate aus granit

in knieschnee sinken schenkelschnee
verschnaufen weiterwaten

werden wir    dank sei dir inbildkraft
klang in uns tragen

klangland bis zum eismeer meandernd
zu den wildüberströmten fernen sibirien

4.

 

Juhannusund über Nacht
werden den Bergen Lichter aufgesteckt
Leuchtfeuer Johannisfeuer
büscheliges Rot in lichtweiten Wäldern

stiegen wir auf zur Hochflächennacht
sie lässt sich zwischen den Fingern
zerreiben wird zerrieben vom
Wind zu Staub seidengrau wie
Morgengrauen fällt in Flechten
fällt durch die Bögen knorriger Kiefern
die sich rindenbefreit zur Erde biegen

Nie nie mehr kann es die Nacht
geben finstere Platte auf uns
im Herbst herabgelassen
                                         Nacht
die zum Ducken der Köpfe zwingt
es muss einfach immer ein Stehen
Gehen geben ein nächtliches Schauen
in aller Helle
Leuchtfeuer der erhobene Kopf auf
dem lichtweiten Körper

es kann nicht wahr nie mehr die Nacht
geben eine Platte
im Jahrumdrehen auf uns herabsinkend
uns zu begraben in Atemkapseln

gäb es nur Lichtnacht
nie Abernacht