• Schamrock Dichterinnen

Ursula Haas

Ursula Haas, 1943 in Aussig/Tschechische Republik geboren, wuchs in Düsseldorf und Bonn auf und studierte Geschichte, Germanistik und Pädagogik. Inzwischen lebt sie in München als freie Schriftstellerin in den Genres Lyrik, Roman, Erzählung, Theaterstück und Essay.

Neben ihrer literarischen Arbeit verfasst Ursula Haas Libretti, u.a. für die Oper „Medea“ von Rolf Liebermann sowie musikbegleitende Texte zu konzertanten Mozart- und Verdi-Opern.

Sie erhielt mehrere Preise, zuletzt ein Stipendium der Thyll-Dürr-Stiftung für den Liederzyklus „Getäuscht hat sich der Albatros“ und das Hotelstipendium Pontresina 2011.

Zu den jüngsten Veröffentlichungen der Autorin zählen der Lyrikband „Ich kröne dich mit Schnee“, St. Michaelsbund, München 2009, sowie der Roman „Drei Frauen“, Kyrene Verlag, Innsbruck 2009. Seit 1995 arbeitet sie auch an spartenübergreifenden Kunst- und Kulturprojekten. 2012 wurde in Davos ihr neues Theaterstück mit Musik "Von Prometheus bis Davos" über Katia Mann uraufgeführt.

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IM BLAU
Der Münchner Maler Kurt Merk (1924-2012)

 

Kopflose Beine. Dein schiefer, spitziger Berg
in der Toskana. Bewegung auf Leinwand und Blatt
Du nimmst die Farbe aus dem Wasser des Sees und
aus dem weißen Schatten des Neumonds. Nie fällst
du aus dem Rahmen deiner Gestimmtheit: Blau

Dein Blau fragt nicht. Dein Blau ist
Das Glück des fliegenden Augenblicks
Das Sehnen nach zarter Erfüllung
Das Hoffen auf Unendlichkeit
Von kühler Schönheit stellt die Farbe sich dar
Ohne Eitelkeit, ohne Anspruch auf Macht, auf
falsche Männlichkeit, Gewalt

Meine Wände im Haus erzählen von deiner Erfüllung:
Deine Bilder sagen Guten Morgen, Hab eine friedliche Nacht,
meine Liebe war schön. Nimm den Elefanten aus meinem
Bild und reite über unseren Regenbogen. Das Ende ist
immer offen. Das blaue Ziel

Unter Kirschblüten

 

Es ging der Frühling
entlang. Die Blüten
auf den Leib geschrieben
fallender Schmerz in Jade
zerbrechlich gefangen
Hinter dem Schloss eine Runde
wilder blühender Kirschen
Hand in Hand die Baumzarten
verfangen in der Pracht ihres
Taj Mahal. Ich warte, bis ein
Segen in weiß, sich aus dem
Bild ins Leben getraut
der Neumond meiner Worte

Für Peter Jonas*

 

Der Weg zu sein
gegen  die Angst
laufen
jeden Morgen, wenn
die Stunde schlägt
der ausgetrocknete Kanal
die verhängten Steine
Schönheiten warten
auf ihre Zeit
Xerxes und Amastris
Jenufa und Toska
nur der Schönheit
weihte ich mein Leben
die Augen werd ich dir
mit tausend Küssen
schließen. Angst sprengt
Horn und Cello im Ohr
laufen
ins Leben laufen
auf der Ferse der Tod
laufen heute
wieder weiter
Vogelflug in den Tag
nympheische Kraft
meine Oper
meine Musik
das Spiel
zu laufen
ohne Ende
ohne Tod
heute im Park


* In einem Interview mit Sir Peter Jonas (1993-2006 Staatsintendant der bayerischen Staatsoper) in der Süddeutschen Zeitung las ich, dass er jeden Morgen eine Stunde durch den Nymphenburger Park lief, um seine Krebserkrankung nicht wieder auftauchen zu lassen.