lyrik
Christa Wißkirchen __ Minute // Düne // Veränderungen über A ist B


Minute 


Zunächst anekdotisch:
unverhoffte Begegnung am Feldweg
mit einer rotblonden Katze beim Maussprung.
Und sitzt nun im milden Spätlicht
aufrecht drüben am Pfützenrand.
Aufmerksam, reglos
über die Wasserfläche hinweg
sehn wir einander an.
Halt. Die Minute. Nicht träumen jetzt,
denn es ist alles vorhanden:
Dreiecksgesichtchen und weiße Kehle
im stillen Spiegel gedoppelt,
hinter den Drähten der blasse Halbmond,
und ein Schwarm kleiner Vögel
wirft sich über die Hecke und wieder zurück.
Fassen, raffen! Nicht in Äonen
tritt dies wieder zusammen.
Du musst es aufsagen können:
rotblonde Katze, Mond, Vögel und Pfütze
in ihrer Spätlicht-Gruppierung -
Lern es, by heart.

___________________________________________________________christa wißkirchen


Düne 


Samtweiche Kuppe, kleines Geriffel am blauen Tag,
Windchen klein rührt die Gräser, und da
kleines Geriesel unten, flache Verrollung Verwischung
und wieder Stillstand. Was war das?
Alarm!
Schrei Alarm! Ungeheures ist hier im Gang.
Du sagst: minimal, du sagst: Krümel-Translokation,
aber sahst du den drive, den drive, den das hat!
Drei Sandkörner wandern. So
fängt es an.

___________________________________________________________christa wißkirchen


Veränderungen über A ist B 


A ist B.
A ist vielleicht eher B.
A ist im Grunde nichts weiter als B.
Leider ist A immer zugleich auch B.
Zum Glück ist A auch immer ein wenig B.
Wir werden A niemals überwinden,
wenn wir nicht endlich wagen, es B zu nennen.
Dieses Scheiß-A ist ein einziges ungeheures B!
Wer sagt heut noch A, wenn er B sagen kann.
Wer B sagt, kann ebensogut A sagen.
Wer sagt endlich wieder A.
Es gibt kein B ohne A.
Es gibt weder A noch B.
A ist immer schon B.
A ist B.