Ulrike Tillich

Die Singzikade

Wer befiehlt der Zikade
sich aufzumachen
von ihrem Geburtsort unter der Erde
woher weiß sie die Spur

welche Lichtzeichen leiten
Jahre um Jahre
diese stumme unscheinbare
verschüttete Kreatur
dass sie sich Bahn bricht
in wegloser Schwärze
zwischen Steine zwängt
und durch Wurzeln beißt

sie wächst und wird stärker
bis sie im Schmerze
der Häutungen endlich
die Hülle zerreißt

ein Umriss gewesener Qual
so gleitet
der Larvenrest ab
wenn sie federnd ins Freie springt
zum ersten Mal
ihre Flügel breitet
im Licht
und singt

Der Weltumsegler

Karawanen und ein Segelschiff
Völkerheere führten sie
durch Länder und Meer zum Ruhm

vom Schwedenkönig
zum Zarenthron
der bunt bemalt war
mit Macht und Mord
als Fremde gekommen
blieben sie dort
und erbten Güter und Gunst

das Reich war groß
und sie waren es mit
bis der Hammer fiel
und die Sichel schnitt
die Krone zerbrach
die Güter ein Raub
erschlagen gefallen
verweht wie Staub

nur ein Denkmal in Petersburg
überstand
ein stolzer Name
sonst nichts in der Hand
als der Ring mit dem Wappen
vom alten Stamm
und ein Teelöffelchen
mit Monogramm