Tanja Dückers

Etwas gefunden (I)

Unten in der Schublade
unter Taschentüchern
alten Brillengestellen
Rabattmarken
rostigen Pfennigen
abgelaufenen Busfahrplänen
nie getragenen Handschuhen

Mit meiner Linken
im Dunkeln
tastend
Steilwände Ebenen Hochplateaus
raues Holz Splitter
Umkehr
beinahe
noch einmal
zögernd
vorwärts
endlich
etwas gefunden
noch weiß ich nicht was
aber es lag zuunterst

Etwas gefunden (II)

In einem Schaufenster
segelt ein Preisschild
langsam herab
direkt daneben
steigt eine Fluse schwankend auf

Neben mir steht Frau Minzlin
die mich wie immer
nicht grüßt
vielleicht
sehen wir gerade das Gleiche
vielleicht
auch nicht

Etwas gefunden (III)

Am Frühstückstisch
Gespräch über Nachrichten
Wahlen in Frankreich
Tote in Kabul
irgendwo
passierte gar nichts
das Radio zittert und rauscht
irgendwann
(enough is enough)
fällt der Kaffeelöffel aus der Hand

Beim Suchen unterm Tisch
seine Knie
die Sonne fiel auf sie
plötzlich geküsst
und die Kniekehlen
der Schatten verbarg sie
geleckt

Und der Löffel bleibt
wo der Kaffee wächst

Etwas gefunden (VI)

Am Himmel ein Zeichen
so flüchtig dass ich es
nicht mit dir teilen kann

Am Himmel ein Licht
so schwach dass ich es
dir nicht mehr zeigen kann

Am Himmel etwas Dunkles
weich und hastlos
befällt es uns
wie eine langersehnte Krankheit
stumm und schmerzlos
versinken wir darin

Zeichen am Himmel
auch wir

Etwas gefunden (VII)

Warum finde ich nichts mehr
früher
war alles bedeutsam
heute
genügt nichts mehr

Früher
unterhielt ich mich mit leeren Joghurtbechern

dorthin möchte ich zurück

(aus: Fundbüros und Verstecke, Schöffling & Co, 2012)