Sabina Lorenz (D)

*1967, lebt als Schriftstellerin in München. Die italienisch-deutsche Autorin studierte Sozialpädagogik in München und London. Sie war Mitherausgeberin der Literaturzeitschrift außer.dem von 2003 bis 2009 und ist Mitglied der Gruppe "Reimfrei". Sie verfasst Lyrik und erzählende Prosa und veröffentlicht in zahlreichen Literaturzeitschriften und Magazinen. Für ihre Arbeit erhielt sie Stipendien und Literaturpreise.

In der Lyrikedition 2000 erschienen bislang die Gedichtbände Die Fremde ist ein Ort (2007) und Echos für eine Nacht (2010).

Letzte Veröffentlichungen: Aufhellungen, Roman, P. Kirchheim Verlag, München 2011 und Wie wir #binden. Wie wir verschwinden, Lyrikedition 2000, 2016.

www.reimfrei.de

Freitag / Fr 28.10. - 16

*1967, of italian-german descent, studied social pedagogy in Munich and London.

She co-edited 2003 - 2009 the literary magazine "außer.dem", and is a member of the author's group "Reimfrei". She writes poetry and fiction, has published in many literary magazines and received various scholarships and awards. Two poetry books were published by Lyrikedition 2000: Die Fremde ist ein Ort (2007) and Echos für eine Nacht (2010).

Latest: Aufhellungen, novel, Munich 2011 and Wie wir #binden. Wie wir #verschwinden, Munich 2016.

www.reimfrei.de

Orlando
für I.

Lass uns wandern, ein Sprung durchs Feuer
vor dem nächsten Schnee, die Zukunft liegt
auf der anderen Seite, fortlaufende Schleife
aus Aufruhr und Wiedergeburt. Dort treffen
wir kleine Vögel inmitten Irisblüten, regen-

bogenfarben, und Staub,

gottlos, diese Stadt ohne Hass, eingebunden
in galaktische Federwolken, wo wir rätseln
über Artefakte, die uns unserer Menschlichkeit
beraubten, behauptend, dass irgendein Gott
auf ihrer Seite stand. Code □ m □ w als

Lebensmuster, ausgemustert

die Unbestimmten, Zeugnisse einer Zeit
der willkommenen schäbigen Gefühle. Hass®
als eingetragenes Warenzeichen. Was sahen
sie, die Beifall klatschten? Sportficken, Massen-
morde, Kriege, bestehend aus Unterwerfung,

Angst und Tod, der Rest war Bürokratie.

Wir waren wieder jung, vergaßen, dass die Welt
nicht so verliebt in uns war, wie wir ineinander.
Wir träumten von Namensgebung. Vom Gebären
als menschlichem Akt. Von Angleichung der Stern-
bildgrenzen. Von Staub. Wir erwachen erneut

im andern Geschlecht.

Selbstvergeudung über Epochen, Sprünge
durchs Feuer. Geisterchor der Möglichkeiten,
zeitlos fremd. Eine Burlesque. Ein Ruhepunkt
im Regen. Ein 300jähriges Leben als innigster
Liebesbeweis. Wie wilde Vögel füttern.

Weiter tanzen.

 

 

aus: Sabina Lorenz, "Wie wir binden. Wie wir verschwinden", Lyrikedition 2000, München 2016

Für eine Katze II

Kein Wehren mehr. Nur legt sie nochmal ihren Kopf
in meine Hand, während das aufsteigende Dunkel ihr
die Luft abdrückt, und hält ihre Pfote meine Finger fest.
Halten will ich, halten, Traumfänger sein, dies eine Mal
ich für sie. Und wären wir beide noch mal jung und wärs
das anstehende Kapitel, würd‘ ich Schlupflöcher finden, als
gings ums Ganze, durch den Frühling jagen in einer endlosen
Gelegenheit, wie dieses fremde Parfüm in ihrem Fell, das
sie nie erklärt‘, Bewegung, Spiel, ganz Charme, nicht
letzter Gruß, Geflüster, geschnurrt, abgerungen
dem Ersticken, und die Augen weit und groß zur Sonne hin,
Jägerin, die das verbleibende Licht noch bricht im Gewahren
der Nadel, gegen die es neunzehn Jahre und kein Wehren
mehr gibt, keins. Letzte Logik des Körpers, der sich befreit
von allem, was überflüssig ist, Pochen, Zucken, Wärme
und Schemen zuletzt, Stunde um Stunde, als stünde
sie wieder auf, als hielte ich sie doch wach an diesem Ort,
aus dem es nur einen Ausgang gibt. Du darfst liegen
bleiben. Du darfst liegen bleiben.

 

 

aus: Sabina Lorenz, "Wie wir binden. Wie wir verschwinden", Lyrikedition 2000, München 2016