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1. Schamrock–Festival der Dichterinnen, 19.-21. Oktober 2012 * Süddeutsche Zeitung



Biografisches, Englisches, Elegisches. Lyrik von Frauen kompakt in der Pasinger Fabrik: Das Schamrock‑Festival ist ein voller Erfolg

München ‑ Das Wagnis hat sich wirklich gelohnt. Ruth Klüger ist anfangs skeptisch, ob ihre Gedichte, ergänzt mit subtilen biografischen Anmerkungen, den Zuhörerinnen gefallen werden. Aber die reagieren sehr begeistert auf ihre souveräne und trotzdem anrührende Lesung beim Festival der Dichterinnen. Ein gelungenes Experiment, wie sich Klüger später freut. Aber das gilt auch für die übrigen Veranstaltungen, zu denen die Autorinnen Augusta Laar, Alma Larsen und Sarah Ines in die Pasinger Fabrik geladen hatten.

Gedichte seien haltbarer als Prosa, sagt Ruth Klüger eingangs. Man brauche bloß nicht so viele davon, da man sich mit jedem Exemplar einzeln anfreunden müsse. Die 81‑Jährige hat sich in ihrem Leben mit vielen Gedichten angefreundet. Knapp sieben Jahre war sie alt, als die Nationalsozialisten Österreich vereinnahmten und sie begann, sich mit Worten und Versen zu beschäftigen. Ständig rezitierte sie Gedichte, unentwegt wie eine Besessene, auch in den Konzentrationslagern. Poesie als rettendes Geländer. Und oft, sagt sie im Gespräch mit Rachel Salamander, habe sie darin Dinge verarbeitet, die sie eigentlich verdrängen wollte. "Aber das habe ich dann erst später gemerkt."

Die Autorinnen, die unmittelbar nach ihr lesen, haben es schwer. Tanja Dückers aus Berlin ändert gleich mal die Reihenfolge und liest zuerst ein Gedicht, das sie für Emily Dickinson geschrieben hat, weil Klüger diese Dichterin ebenfalls schätzt. Erst Martina Hefter aus Leipzig gelingt es mit ihrem lyrischen Katalog aus Alltagsbewegungen, das Publikum aus der Klüger‑Verzauberung zu lösen. Das letzte Wort am Samstagabend übernimmt Augusta Laar mit ihrer Band Kunst oder Unfall, wunderbare Musiker, die zwischen Plattenspieler und Spielzeug Free Jazz improvisieren.

"Immerzu wachsen Worte im Mund", liest Barbara Yurtdas am Sonntagnachmittag vor, "ein Keimen und Quellen". Trotz strahlender Herbstsonne draußen ist die Kleine Bühne wieder ordentlich gefüllt. Laar kommentiert im Vorbeihuschen zufrieden: "Ich bin erstaunt, dass es funktioniert!" Später, am Abend, wird die Österreicherin Marlene Streeruwitz zum Abschluss des Festivals sprechen, jetzt jedoch quillt und keimt es vor allem aus den Mündern von Münchner Poetinnen ‑ und der Gegensatz zwischen den Generationen wird dabei offensichtlich.

Die ältere Generation ist mit Yurtdas, Katharina Ponnier, Ursula Haas, Asta Scheib und Alma Larsen vertreten. Mal tragen sie am Stehpult vor, mal neben dem obligatorischen Wasserglas sitzend. Das Themenspektrum reicht von der Liebe bis zum Tod; schlichte, dem Alltag abgelauschte Momentaufnahmen sind zu hören, aber auch Bildungsgeschwängertes im hohen Ton. Wie anders die Jungen! Stephanie Müller und Laura Theis, die ihr Projekt "Beißpony" nennen, machen ihren Auftritt zur Performance, bei der auch das Publikum einbezogen wird. Die Bühne sieht aus wie eine Mischung aus Kinderzimmer und Bastelstube. Theis sitzt am Klavier und singt Englisches, mehr oder weniger Elegisches. Müller, einen Stoffpapagei auf der Schulter und in lustigen Zacken‑Strümpfen, bedient dazu mit stoischem Lächeln diverse Gerätschaften. Mal lässt sie eine Schreib‑, mal eine Nähmaschine rattern, sie zupft auf einer Skateboard‑Gitarre und lässt ein Plastikschwein ins Mikro grunzen. Ziemlich viel Blödsinn also ‑ und die schöne Erkenntnis: Lyrik darf einfach nur Spaß machen.

SABINE REITHMAIER, ANTJE WEBER