• Schamrock Dichterinnen

Lydia Daher

geboren 1980 in Berlin, seit 2007 freie Musikerin und Autorin, lebt in Augsburg.

Ihre Texte sind in Anthologien, Zeitschriften und Schulbüchern veröffentlicht und mit Preisen und Stipendien ausgezeichnet worden. Sie leitet Schreibwerkstätten, ist als Kuratorin tätig, und selbst singend und lesend zu Gast auf Poesiefestivals, in Theatern, Literaturhäusern und Clubs.

Zu ihren Veröffentlichungen gehören der Gedichtband »insgesamt so diese welt« (voland & quist) und das Musik-Album »Flüchtige Bürger« (trikont).

www.lydiadaher.de

Salon 6, 2010: Kinder können dichten
1. Schamrock-Festival 2012
Salon 17, 2014: Schamrock meets Marry Klein - Every Girl is a Riot Grrrl !?

Was wir brauchen

 

Es reicht für den Anfang
eine Balkonszene.
Und Zeit, die sich dehnt.
Ein paar Details, unwichtig welche.
Vielleicht kommst du auch vor.

Die Modernität deiner Melancholie
in fälligem Licht.

Wahrscheinlich lässt sich bald
darüber schreiben.
Es wäre verlogen und warm.
Und nicht anders
vorstellbar.

zur bewegung

 

vergiss die karten
der platz an der sonne
ist nirgends verzeichnet
bei 160 km/h
verändert sich landschaft
durch windschliff
den rest erledigen wir
-
wir schneiden straßen entlang
der gestrichelten linien

und basteln uns kronen daraus
eine für dich eine für mich

und eine zur reserve
-
denn man sollte sich nicht
auf sein glück verlassen

eine wolke schlägt leck
und drei vögel verhungern

und irgendwo brennt einer
die namen in kreuze

die in schreibschrift im
schatten von bäumen mahnen
-
aber vielleicht lohnt sich
die reise ja doch

vielleicht steht da wirklich
ein topf voller gold
am ende des aortenbogens

solltest du irren:
pass by

was bleibt

 

mit einem schwungvollen
fuck you
signiere ich deine brust
und gehe
damit du mit mir mithältst

du sagst
meine wut sei göttlich
ich sage
manche dinge
müssen
über wunden werden

TESTGELÄNDE, TAGESMELDUNG

 

Russland hat drei Satelliten verloren.
Sie stürzten unweit von Hawaii ins Meer
und kreisen nun in einem Strudel Plastikschrott.

Wie oben, so unten,
das alte kosmische Gesetz.

Wie du weißt,
ich hege gewisse Sympathien
für die Metaphern des Untergangs.
Für alles, was wir ins
Nichts schicken können.

Raubtiernacht, sagen die einen.
Gute Nacht, sagen die anderen.
Und immer schneller vergrößert
der Raum sich.

Raum, der sich spannt von mir zu dir.
In welchem wir trinken und Pläne haben
von sehr weit unter uns bis an den Himmel,
der neu entsteht
in jedem Moment.

So träumen wir an abgerundeten Tischkanten
auf einer tektonischen Platte
im frischen Rauschen
der Frequenzen.

Und ist es nicht merkwürdig,
dass ausgerechnet wir
hier sitzen, unter den vollen Regalen des Himmels,
mit wohlsortierten Bewegungen, in diesem
besonders privilegierten Universum,

in dem es Radios gibt
und Samstagnächte?