Internationale Poetry-Biennale  -  Filmfestival  -  Salon  -  Netzwerk

Schamrock-Salon Made in Austria, 24. 10. 2010 * Münchner Merkur

Die Kunst des Wieners

Zum siebten Mal hat am Sonntagabend in der Pasinger Fabrik der Salon der Dichterinnen unter dem Titel "Schamrock" seine Türen geöffnet, zum ersten Mal stand Augusta Laar alleine als Veranstalterin auf der Bühne. "Aus persönlichen Gründen" sei Schamrock-Mitbegründerin Gabriele Trinckler ausgeschieden, teilte eine sichtlich bewegte Augusta Laar dem Publikum mit.

Am Konzept der 2009 begründeten Reihe "Schamrock" soll sich aber vorerst nichts ändern: "Es ist immer noch Not an der Frau", so Laar, die ein "grenz- und generationenübergreifendes Netzwerk für Dichterinnen" im von Männern dominierten Literaturbetrieb etablieren will ... "Made in Austria" stand am Sonntag als Motto über der Lesung von vier Wiener Dichterinnen in der Pasinger Fabrik. Freilich, abgesehen von dem gemeinsamen Wohnort hatten diese vier Autorinnen kaum etwas gemeinsam: Die vorgestellten Texte hätten kaum unterschiedlicher sein können.

Den Anfang machte Anna Guentcheva, die in Usbekistan geboren und in Bulgarien aufgewachsen, seit 1993 in Wien lebt. Seit 2000 schreibt die Autorin ausschließlich in deutscher Sprache. Fast scheint es, als hätte sie ihr Herz an die Ecken und Kanten der deutschen Sprache verloren, die sie beim Vortrag mit einem immer noch harten Akzent herausarbeitet. Es geht um "mundschweres Zauberwerk", um eine bilderreiche und geheimnisvolle Sprache, die ihre Anleihen in der Welt der Märchen und im Alltag nimmt. Die Autorin erzählt von "Einhornswunden" und "bösen Hexen" und fragt schließlich: "Wer öffnet der Sprache, wer nimmt ihr die Taschen voll müder Worte ab."

Dann aber betritt die kluge und wortwitzige Judith Pfeiffer die Bühne, die als Politikwissenschaftlerin "im richtigen Leben" gerade an ihrer Dissertation über die Türken vor Wien sitzt, und deren Gedichte geistreiche sprachliche Lockerungsübungen sind. Sie beginnt mit einem Wortspiel um das klanglich so reizvolle "Ü" und endet mit einem ebensolchen um das "U", um den "Zuber des Ugenblicks". Judith Pfeifer "wienert" und "entwienert" sich selbst, sie schreibt: "Habe Liebe gefunden, fühlt sich an wie von der Stange, passt."

Schließlich ist man dann, Entwienern hin oder her, mit Carina Nekolny in einem geradezu schnitzlerschen Kosmos angelangt: Sie gibt eine knackige Kostprobe aus ihrer Porno-Lyrik. Es ist nun nicht nur das Fachvokabular, das sie im Schaufenster eines Erotik-Shops zum Thema "extreme perversities" fand und von dem sie sich zu diesen Gedichtzeilen anregen ließ, es ist vor allem ihr herber Dialekt, der ihren Vortrag zu einer sprachlichen Fernreise macht. Worte wie "Pornoheftl" und "Schwanzringerl", aber auch "Kabinensex" und "Naturchampagner" klingen bei ihr, als wären es Köstlichkeiten aus einer wienerischen Konditorei.

Fast betulich wirken im Vergleich dazu die Texte aus dem "Requiem-Zyklus" der Dichterin Traude Korosa -der vierten im Bunde. Mit pathetischem Grundton hat sie Hymnen auf bekannte und eher unbekannte Künstlerpersönlichkeiten gedichtet. "Der Dichter ist tot, seine Gedichte leben", schreibt sie etwa über den Literaten Paul Celan...

Katja Sebald