lyrik
Wanda Schmid __ Noch vor der Nacht ... // Tarnung


Noch vor der Nacht
Schattennester
Kühle
mit Nebel angerührt
die Friedhofsmauer
beschützt die Gräber
reglos die Bäume
in Erwartung der Dunkelheit
dann schweigen die Vögel
die Blindschleichen stellen sich tot
geräuschlos jetzt in der Luft
die raschen Fledermäuse
eingeschlossen im Stein
die Abwesenden

*
* *

Luftperlen im Wasser
aufgefädelt auf einem Frauenhaar

Mohnblumen bersten
Mauersegler schlafen im Flug

die Wiese trägt das Gras
kokett in Büscheln

und dort in der Kuhle nachtschwarzes Moos
und ein rostiges Stück Stacheldraht

*
* *

Lebenslinien. Wasserschlangen auf unruhiger Fläche.
Geisseltierchen zappeln im Verborgenen.
Und da sind blutgefüllte Mücken.
Und der hinterhältige Apfelblütenstecher.
Und da ist die kleine Libelle – eine Hufeisenazurjungfer.

*
* *

Die Stille
zwischen uns
ist nackt

wir
an die Nacht gelehnt
wir
sind nicht satt

*
* *

Wirf es nicht
das erbeutete Wort
leg's auf die Fingerkuppe
und beatme es

*
* *


___________________________________________________________wanda schmid


Tarnung


Zwei Höhlen
im Schädelweiss
der Spiegel
unrasiert
ohne Gedächtnis

das Schwirrholz
ermüdet
im Adlerschatten
Schlaf
vorgetäuscht