Editorial, Schamrock - Historie
Editorial

Women Making Poetry Count (Nora Gomringer).

Wo stehen die Lyrikerinnen? Wie leben sie? Was treibt sie an, zu schreiben und zu performen? Auf internationalen Festivals, bei denen ich in den letzten Jahren zu Gast war, habe ich Gespräche mit vielen Lyriker*innen und Festival-Leiter*innen zu diesem Thema geführt.

Lyrik schreiben, lesen, veranstalten, wird inzwischen nicht selten zum politischen Akt. Dichterinnen agieren sowohl im Elfenbeinturm als auch als Aktivistinnen im öffentlichen Raum, und entsprechend aktuell und vielfältig sind ihre Produkte.

Das Schamrock-Festival ist für mich eine große aktive Installation im Sinn des japanischen Dichters Takiguchi Shūzō, Poetry is Action: Lyrikerinnen zusammenbringen, den Austausch ermöglichen und ausloten, was Lyrik kann: Kulturen verbinden, Grenzen von Sprachen und Generationen überschreiten, Sprache in andere Kunstformen transportieren; was sonst nicht gesagt werden kann zur Sprache bringen, einen Raum für die Auslassung, das Geheimnisvolle von Sprache schaffen, ein dehnbarer poetischer Muskel werden.
Und alles, was Poetinnen verbindet, drei Tage lang feiern.

Es gibt nur wenige Verlage und Medien, um Dichtung veröffentlichen, rezensieren und diskutieren zu können. Lyrik bleibt weitgehend eine Nischen-Ware für Liebhaber*innen und Poesie-Portale. Umso wichtiger ist es für mich, dass das Schamrock-Festival sich etabliert, mit internationalen Festivals und Lesebühnen kooperiert, sich einer breiten Öffentlichkeit zur Diskussion stellt und sich fortwährend vernetzt und erweitert.

Das 3. Schamrock-Festival der Dichterinnen präsentiert in München und Wien ein breites Spektrum gegenwärtigen lyrischen Arbeitens bis hin zu synergetischer Kooperation mit anderen Künsten: Performance, Konzert, einem Workshop zur Lyrik-Vertonung in München und einer Klasse an der Schule für Dichtung Wien.

Wir bedanken uns bei über 30 Kultur- und Literaturinstitutionen aus achtzehn Ländern, die uns in unserem Vorhaben ideell und finanziell unterstützen. An erster Stelle danken wir dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München, das den Salon und das Festival von Beginn an gefördert hat.

Genießen Sie die Fülle, die Vielfalt und die Begegnung mit über fünfzig Dichterinnen an den insgesamt vier Tagen des dritten internationalen Schamrock-Festivals der Dichterinnen!

Augusta Laar, Künstlerische Leiterin

 

Schamrock - Historie

Das Schamrock-Projekt existiert nun im sechsten Jahr in München. In den über das Jahr verteilten Salons wird nicht nur gelesen, sondern auch über die Bedingungen des lyrischen Schreibens für Frauen diskutiert. Mit kreativer Wut und poetischem Elan außergewöhnliche Ideen und frische Formen zu entwickeln, dazu wollten wir Dichterinnen ermutigen. München war in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts ein Zentrum des kulturrevolutionären Aufbegehrens junger Malerinnen und Literatinnen. In dieser Tradition hat der Schamrock-Salon der Dichterinnen und das daraus hervorgegangene Festival seine Wurzeln.

Von Anfang an war das Kulturreferat der Landeshauptstadt München der wichtigste Partner. Das Festival 2016 wird eröffnet von Dr. Hans-Georg Küppers, Kulturreferent der Landeshauptstadt München.

Zum 1. Schamrock-Festival der Dichterinnen 2012 trafen sich über 45 Lyrikerinnen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Südtirol, Finnland und den USA zu einem großen generationen- und grenzübergreifenden Lesefest. Unser Publikum konnte neben bekannteren Autorinnen – wie Marlene Streeruwitz, Ilma Rakusa, Ruth Klüger, Swantje Lichtenstein, Dorothea Grünzweig, Martina Hefter, Lydia Daher und Tanja Dückers – auch Neuentdeckungen kennenlernen. Die Süddeutsche Zeitung feierte das Festival als großen Erfolg. Das, aber vor allem die positiven Reaktionen von Dichterinnen und Publikum, ermutigte uns das Festival als Biennale weiter zu führen.

Das 2. Schamrock-Festival 2014 präsentierte dann das ganze Spektrum gegenwärtigen lyrischen Arbeitens bis zu synergetischer Kooperation mit anderen Künsten: Sprechoper, Musiktheater, Bildende Kunst, Vorträge und eine Klasse an der Schule für Dichtung Wien. Auftakt war im Literaturhaus Wien, zu Ehren von Friederike Mayröcker, die in diesem Jahr ihren 90sten Geburtstag feierte und auf deren Vorschlag hin das Festival in Wien stattfand. 2012 hatte sie dem 1. Schamrock-Festival eine "Gruszbotschaft" geschickt und den Titel für die Festival-Anthologie 2012 gestiftet. In Wien hörten wir die Dichterin live mit neuen Texten.

Zu den vielen Highlights in München gehörten unsere Länderschwerpunkte und Übersetzungsprojekte mit türkischen, finnischen, irischen und katalanischen Dichterinnen. Musikalische Höhepunkte waren die Aufführung der Oper "3 fliegende Minuten" von Helga Pogatschar mit Nora Gomringer, die Performances der türkisch-stämmigen Rapperin Ebru und der aus den psychedelischen 1970ern noch wohlbekannten Amon Düül 2-Sängerin Renate Knaup-Krötenschwanz. Neben den großartigen Auftritten der Mongolin Saynkho Namchylak, der Spoken Word-Legende Patti Trimble oder der japanischen Dichterin und Chamisso-Preisträgerin Yoko Tawada waren wir besonders stolz, dass die große italienische Schriftstellerin Dacia Maraini, vor allem bekannt für ihre Romane, erstmals in Deutschland ihre Lyrik präsentierte.

Das 3. Schamrock-Festival der Dichterinnen wird vom 28. bis 30 Oktober 2016 in der Pasinger Fabrik München stattfinden und am 21. Oktober im Literaturhaus Wien gastieren. Im Vorfeld unterstützte uns bereits Nora Gomringer als Beraterin: "Women making Poetry count - praktische, poetische, politische Wege, Lyrik und ihre Leser zu verbinden".

Durch ein umfangreiches Netzwerk in aller Welt hat Schamrock deutlich an Internationalität gewonnen, 2016 wurde Schamrock in den Kreis des World Poetry Movement aufgenommen. Wir erwarten etwa 50 Dichterinnen und Musikerinnen aus 17 Ländern bei uns in München zu Gast: Argentinien, Botsuana, Bulgarien, China, Deutschland, Griechenland, Indien, Indonesien, Lettland, Österreich, Rumänien, Schweiz, Slowenien, Thailand, Türkei, USA und Zypern.

Die Länder-Schwerpunkte werden wieder von einigen Übersetzungsprojekten begleitet, u.a. mit der türkischen Dichterin Gonca Özmen, den griechischen Dichterinnen Goergia Triantafyllidou, Ewa Boura und Alexandra Bakonika, den lettischen Lyrikerinnen Liāna Langa, Anna Auziņa und Inga Gaile, eingeladen sind auch die indonesischen Dichterinnen Nenden Lilis Aisyah, Hanna Francisca und Dorothea Rosa Herliany. In Kooperation mit der Lyrikwerkstatt Berlin/Haus für Poesie und dem Goethe Institut macht das Projekt "Poets Translating Poets – Versschmuggel mit Südasien" bei uns Station mit den deutsch-indischen Dichter-Paaren Ulrike Draesner und Aruna Dhere, Ulrike Almut Sandig und Naseem Shafaie, und Anja Utler und Yashodhra Ray Choudrai.

Konzerte und Performances mit Dichtung und Klang ergänzen das Programm um weitere Facetten lebendiger Lyrik, wir freuen uns unter anderem auf die Spoken Word Pionierin Lydia Lunch (USA), Klangkünstlerin Limpe Fuchs (früher Anima), die Elektro-Akustikerinnen und Poetinnen Heike Fiedler und Marie Schwab aus der Schweiz, und die Komponistin und Soundkünstlerin Marisa Verena. Mit einem Workshop von Anne Munka zur Lyrik-Vertonung, einer Podiumsdiskussion zum Übersetzen nicht nur feministischer Lyrik, und einer Gesprächsrunde will das Festival zur Verbindung und Vernetzung von Lyrik und Lesern beitragen.

Editorial

Women Making Poetry Count (Nora Gomringer)

Where do women poets stand today? How do they live? What makes them write and perform?

On the international festivals I was invited to over the past years I talked to many poets and poetry festival directors discussing these topics. To write poetry, to read, to organize events, nowadays this became quite often a political act. Poets still live in an ivory tower but are at the same time activists in public space, which is the source of the relevance and variety of their products. In my perception, the Schamrock-Festival is a great and vibrant installation. (Schamrock is a word made-up from German Scham meaning shame and Rock meaning skirt but referring also to Rock'nRoll).

Much in the sense of Japanese poet Takiguchi Shūzō Poetry is Action: bringing together women poets, enabling creative exchange, exploring the many potentials of poetry: to connect cultures, to cross borders of languages and generations, to transport language into other art forms. To bring up what can't be said otherwise, to establish a space for omission, the mysteriousness of speech, becoming a flexible poetic muscle.
And to celebrate for three days all we have in common.

There are only few companies and media to publish, review and discuss poetry. By and large poetry remains a niche product for enthusiasts and poetry web-portals. All the more important it is for me to establish the Schamrock-Festival, to cooperate with other international festivals and platforms, to engage in a broad public discussion, and to continue to network and grow.

The third Schamrock-Festival of Women Poets presents a wide range of contemporary poetic expression and cooperation with other art forms: performance, concert, a word-sound workshop in Munich and a class at the Vienna poetry school.

First of all we thank the Kulturreferat der Landeshauptstadt München, the Cultural Department of the City of Munich, who supported salon and festival from the very beginning. We would like to thank the cultural and literary institutions in eighteen countries supporting us both financially and with ideas and moral support.

Enjoy the abundance, the variety and the meetings with more then fifty poets and presenters at the four festival days in Vienna and Munich!

Augusta Laar, festival director

Schamrock - History

The Schamrock-Project is now in its sixth year. The Schamrock-Salon of Women Poets in Munich has always been more than merely a place for readings, but also a venue for discussions about the conditions under which women write poetry. With creative anger and poetic vigour we would like to encourage women poets to develop extraordinary ideas and new forms.

During the first three decades of the 20th century, Munich was a center of a revolutionary cultural upheaval sparked by young female literati. The Salon understands itself as a continuation of this tradition.

From the beginning the Cultural Department of the Town of Munich was our most important partner, the Festival 2016 will be opened by Dr. Hans-Georg Küppers, head of the Cultural Departement.

The 1. Schamrock-Festival of Women Poets took place in Munich, Germany in October 2012. More then 45 women poets from Germany, Austria, Switzerland, Southern Tyrol, Finland and the USA joined for a big reading festival, crossing borders and embracing all generations. The audience was invited not only to meet well known authors - like Marlene Streeruwitz, Ilma Rakusa, Ruth Klüger, Swantje Lichtenstein, Dorothea Grünzweig, Martina Hefter, Lydia Daher and Tanja Dückers - but also to discover interesting new names. For three days the poetesses and their texts took the center stage.

”The Festival was a total success" wrote the influential Süddeutsche Zeitung. But it was mainly the positive reactions by artists and public alike that motivated us to continue the Festival as a Bienial to present and celebrate the great variety of lyrical, artistic and musical expressions of poetry with an international group of women poets. The 2. Schamrock-Festival 2014 presented the full spectrum of the current world of poertry including synergetic cooperations with other arts forms: talking opera, musical theatre, fine arts, lectures and a class at the Vienna Poetry School.

The festival started off with a day at the Literaturhaus Vienna, honoring Friederike Mayröcker, who celebrated her 90th birthday that year. In 2012 she had sent the 1. Schamrock-Festival a "Gruszbotschaft", a special greeting poem, donated the titel for our festival-anthology, and now it was her suggestion to extend the festival to Vienna, where she read new texts.

Among the many special events were the regional focuses and translation projects with turkish, finnish, irish and catalonian poets. Musical highlights were offered by the opera ”3 flying minutes" byHelga Pogatschar with Nora Gomringer, performances by turkish rapper Ebru and Amon Düül 2-legend Renate Knaup-Krötenschwanz. We attended great appearances by mongolian artist Saynkho Namchylak, spoken word-legend Patti Trimble or japanese poet and Chamisso-Prize winner Yoko Tawada, and we were especially proud for the famous italian writer Dacia Maraini to present her poetry in Germany for the first time.

The 3. Schamrock-Festival of Women Poets will take place from 28. - 30. October 2016 in Munich and on October 21st in Vienna. We are happy to have Nora Gomringer as consultant, her theme is: "Women making Poetry count - practical, poetic, political ways to tie poetry and its reader".

By now Schamrock has gained considerably in internationality through a large worldwide network. The 3. Festival 2016 expects to host about 50 poets and musicians from 17 countries: Argentina, Austria, Botswana, Bulgaria, China, Cyprus, Germany, Greece, India, Indonesia, Latvia, Rumania, Switzerland, Slovenia, Thailand, Turkey and the USA.

Our regional focuses will be accompanied by translation projects, including Turkish poet Gonca Özmen, Greek poets Goergia Triantafyllidou, Ewa Boura and Alexandra Bakonika, Latvian writers Liāna Langa, Inga Gaile and Anna Auziņa, and Nenden Lilis Aisyah, Hanna Francisca and Dorothea Rosa Herliany from Indonesia. In cooperation with "Lyrikwerkstatt Berlin/Haus für Poesie" and the Goethe Institute, the project "Poets Translating Poets – Versschmuggel mit Südasien." is presented at the festival, including the german-indian pairings of poets Ulrike Draesner and Aruna Dhere, Ulrike Almut Sandig and Naseem Shafaie, and Anja Utler and Yashodhra Ray Choudrai.

Concerts and performances combining poetry and sound: spoken word legend Lydia Lunch is invited as our special guest. Sound artist Limpe Fuchs (ex-Anima), Swiss electro-acoustic musicians and poets Heike Fiedler and Marie Schwab, and componser and sound artist Marisa Verena will present musical and lyrical highlights opening new dimensions.

Lectures, a workshop on music and poetry, a public discussion on translating not only feminist poetry, and a round table with festival-poets will contribute to the networking and linking of poetry and readers.